28.02.2023 ● JP
Mit Klischees aufräumen: Frauen auf der Baustelle
Maurer, Elektroniker, Kraftfahrzeugmechatroniker – wer diese Berufsbezeichnungen liest, hat oft einen Mann vor Augen. Egal, ob hinter den Berufsbezeichnungen die Ansprache aller Geschlechter mit m/w/d aufgelistet wird oder nicht. Das sind eben typische Männerjobs, oder? Genau dieses stereotype Denken macht den Wandel zäh, denn Frauen haben in den Berufen oft gute Chancen.
Kornelia Kirchner ist 21 Jahre alt und steht kurz vor dem vierten Semester ihres Studiums des Bauingenieurwesens. Während den Semesterferien arbeitet sie einige Wochen bei der Firmengruppe Göbel, einem Bauunternehmen aus Rimpar. Sie selbst merke kaum einen Geschlechterunterschied am Bau. „Viele Bauleiter dort haben selbst erst vor wenigen Jahren ihren Abschluss gemacht. Dadurch waren wir gleich auf einer Wellenlänge. Als ich das erste Mal dort gearbeitet habe, war außerdem auch eine weitere Studentin, die gerade ihr Praxissemester absolviert hat, im Büro. Bei den älteren Maurern oder Vorarbeitern gab es ab und zu allerdings doch schiefe Blicke.“
Für sie ist das kein Problem, allerdings weiß sie auch, dass andere Frauen genau das auf dem Bau verunsichern könnte. „Ich glaube, damit muss man schon umgehen können. Auf dem Bau herrscht ein anderer Umgangston. Da zählt schnelles Handeln, ohne bitte und danke.“
Keine Frauen auf der Baustelle: Solche Klischees sind in Köpfen verankert
Woher Klischees, die Berufen oder Geschlechtern behaftet sind, herkommen, ist noch immer unklar. Die Professorin der Wirtschaftswissenschaften Christina Felfe de Ormeño weiß, wie schwierig es ist, ein Umdenken in der Gesellschaft zu bewirken. „Stereotype sind bereits seit Jahrhunderten in unseren Köpfen verankert.“
Im beruflichen Leben kann sich dies in Diskriminierung von bestimmten Gruppen, beispielsweise Frauen, äußern. Dabei muss zwischen persönlicher und statistischer Diskriminierung unterschieden werden. Bei der persönlichen Diskriminierung werden beispielsweise keine Männer eingestellt, weil die Person, welche die letztendliche Entscheidung zur Einstellung fällt, keine Männer mag. Andere wiederum berufen sich auf bekannte Fakten, wie etwa, dass die durchschnittliche Frau tendenziell aufgrund von Schwangerschaften häufiger ausfällt als ein Mann und demnach bevorzugt Männer einstellen – das ist wiederum die statistische Diskriminierung. „Für das Individuum ist jedoch beides nicht gerechtfertigt. Wer sagt denn, dass eine Frau ausfallen wird? Vielleicht möchte sie ja selbst gar keine Kinder bekommen.“
Kornelia Kirchner als Frau auf der Baustelle: “Ich finde es schade, dass viele Frauen davor Hemmungen haben”
„Um Frauen den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern, gibt es an der FHWS ein Patenprojekt mit Absolventinnen der Fachhochschule in Männerdomänen. Das finde ich gut“, erzählt Kirchner. Sie selbst nehme jedoch nicht teil, da sie durch langjährige Erfahrung in von Männern dominierten Bereichen sich durchzusetzen zu verstehen weiß. „In der Schule war ich auch im technischen Zweig. Da waren die Jungen auch in der Überzahl. Ich finde es schade, dass viele Frauen davor Hemmungen haben, in technische Bereiche zu gehen – egal, ob in der Schule oder im Beruf.“
Auch Arbeitgeber können aktiv mehr Personen benachteiligter Gruppen ansprechen und so die Hemmschwelle bei der Bewerbung senken. Sätze wie „Bewerbungen von Frauen und Personen mit Behinderung werden bevorzugt“, welche an der Universität Würzburg bereits Gang und gäbe sind, können bereits helfen. Wichtig ist jedoch auch, dass das gesamte Unternehmen zusammenhält und geschult wird. „Jemanden eine Chance zu geben ist schon mal ein wichtiger Schritt, reicht aber nicht aus“, meint Felfe de Ormeño. Mit einem sogenannten Implicit Bias Training (dt.: Implizite Vorurteilstrainingsprogramm) kann gegen verzerrte Wahrnehmungen im Unternehmen vorgegangen werden. Während eines solchen Programms wird gelernt, automatische Denkmuster anzupassen und diskriminierende Verhaltensweisen zu eliminieren. Beispielsweise: Auf der Baustelle gibt es einfach keine Frauen. „Hier ist es wichtig, nicht nur auf Führungsebene Schulungen anzubieten. Es müssen möglichst viele Personen vorurteilsfrei auf Andere zugehen können.“