09.06.2020 ● JP
Was Unternehmen und Arbeitnehmer vom Homeoffice lernen können
Deutschland war weit weg davon, eine Homeoffice-Nation zu sein. Datenschutz, Absprachen und technische Ausstattung sind seit vielen Jahren die Knackpunkte einer deutlich flexibleren Arbeitswelt in den großen Unternehmen. Corona hat, wenn man so möchte, zwangsdigitalisiert. Bleiben diese neuen Prozesse zu Homeoffice und Telearbeit bestehen oder löst sich das Arbeitsmodell nach der Krise alles wieder komplett auf?
Jutta Rump ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Direktorin am Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) in Ludwigshafen und hat eine gute Nachricht: Jeder kann dazu beitragen, die Arbeitswelt anders zu gestalten.
Frage: Frau Rumpf, wie könnte die Zukunft in Sachen Homeoffice aussehen?
Rump: Mit der schrittweisen Rückkehr zur Normalität in der Arbeitswelt wird sich nicht das Arbeitsmodell aus 100 Prozent Homeoffice durchsetzen. Wir werden Mischformen haben, und das wird sich durch alle Hierarchien ziehen. Denn auch Führungskräfte haben festgestellt, dass diese Form des Arbeitens zwar Nachteile, aber ebenso viele Vorteile hat.
Kann jeder selbst auch etwas verändern?
Rump: Zum einen muss man sich darüber klarwerden, was man konkret beibehalten möchte - und dann muss man das gegenüber den Vorgesetzten kommunizieren. Aktuell dürften Führungskräfte dafür empfangsbereit sein, denn sie haben die Erfahrungen ja selbst gerade gemacht. Neben der Idealvorstellung sollte man sich aber auch über ein Modell Gedanken machen, mit dem man auch noch leben könnte - wenn das, was man sich ursprünglich vorgestellt hat, nicht zu verwirklichen ist.
Was ist mit den Gegenargumenten, die viele Angestellten zum Thema Homeoffice lange hören mussten?
Rump: Das Argument etwa, dass ein Unternehmen nicht die technischen Voraussetzungen für die Arbeit im Homeoffice hat, zählt auf jeden Fall nicht mehr, das fällt schlicht weg. Hier haben die vergangenen Wochen gezeigt, dass es funktionieren kann. Und die Debatte um den Datenschutz hat sich auch erledigt. Da steht letztendlich nur noch die Produktivität im Raum.
Sind Arbeiter im Homeoffice wirklich so produktiv wie in der Arbeit?
Rump: In der Regel ist es so, dass die Produktivität im Homeoffice in der ersten Phase sinkt - bis man sich an die neue Struktur angepasst hat. Dann steigt sie an. Dafür müssen aber verschiedene Bedingungen, beispielsweise klare Arbeitspakete und Arbeitszeiten, erfüllt sein, die sowohl in der Verantwortung des Einzelnen als auch in der Verantwortung des Arbeitgebers liegt.
Nicht jeder ist vom Homeoffice begeistert. Wie geht man mit einem gespaltenen Team um?
Rump: Da gilt es, sich intern zu verständigen. Und Teams müssen sich die Zeit nehmen, sich darüber auszutauschen, was für jeden Einzelnen die perfekte Arbeitsform wäre. Zwei Dinge sollten berücksichtigt werden: Jedes Team sollte mindestens einen Tag pro Woche gemeinsam im Office sein. Ein Tag gilt für eingespielte Teams. Bei ungeübten Teams sollten es mindestens drei Tage gemeinsam im Office sein, und zwei Tage mobiles Arbeiten.
Glauben Sie, für die Arbeitnehmer der Zukunft wird es nun einfacher, flexible Arbeitsmodelle zur Forderung zu machen?
Rump: Diejenigen, die neu hinzukommen, haben durch die Effekte der Corona-Pandemie auf die Arbeitswelt gute Voraussetzungen, Wünsche wie etwa Homeoffice durchzusetzen. Da hat sich viel verändert. Vor Corona war das immer eine Forderung im Vorstellungsgespräch. Jetzt wird zumindest eine Mischform für die meisten Arbeitgeber eher eine Selbstverständlichkeit sein.
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